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Vor Kurzem noch galt das Bauen mit Lehm in Deutschland als Relikt vergangener Zeiten. Allerdings gewinnt Lehm mit seiner hervorragenden Umweltbilanz als Baustoff wieder zunehmend an Bedeutung. Grund dafür ist die gestiegene Nachfrage nach nachhaltigen Baumaterialien. In diesem Ratgeber erfahren Sie, welche Eigenschaften das Material hat und welche Formen beim Lehmbau zum Einsatz kommen.
Welche Eigenschaften hat Lehm als Baustoff?
Lehm ist gemeinsam mit Holz eines der ältesten Baumaterialien der Menschheit. Er gehört zu den mineralischen Baustoffen und entsteht auf eine natürliche Weise aus feinkörnigemSand, Schluff und Ton. Diese Mischung ist ein Restprodukt verwitterter Gesteine, das sich entweder direkt im Boden ablagert oder zunächst von Wind (Erosion) und Wasser (Flussläufe) weitertransportiert wird. Lehmvorkommen sind weltweit zu finden, sodass die Umweltbelastung durch Beschaffung und Transportwege zumeist gering ausfällt. Je nach ihrem Entstehungsort werden verschiedene Lehmsorten unterschieden, zum Beispiel Berglehm, Auenlehm (Fluss) oder Geschiebelehm (Gletscher).
Lehm ist von Natur aus diffusionsoffen. Das bedeutet: Er kann Feuchtigkeit aus der Umgebungsluft aufnehmen, aber auch an sie abgeben. Damit unterstützt das Material ein gesundes Raumklima im ganzen Haus. Hinzu kommt, dass der Baustoff sehr gut Wärme speichert: Er hält Innenräume im Sommer angenehm kühl und im Winter lange warm. Dadurch lässt sich einiges an Energie sparen, was ein weiteres Argument für nachhaltiges Bauen mit Lehm ist. Lehmbaustoffe eignen sich besonders gut für Gebäude, in denen die Raumluft eine möglichst konstante Luftfeuchtigkeit haben sollte, z. B. aufgrund von Denkmalschutzbestimmungen.
Lehm hat als Baustoff auch Nachteile: Seine Fähigkeit zur Aufnahme von Feuchtigkeit kann dazu führen, dass das Material aufquillt oder schwindet, wenn die Umgebungsfeuchte zu stark schwankt. Außerdem ist das er in Außenbereichen frostanfällig.
Die Tabelle zeigt alle Vor- und Nachteile im Überblick:
Vorteile | Nachteile |
---|---|
· diffusionsoffen: gute Feuchtigkeitsregulierung für gesundes Raumklima · hohe Wärmespeicherkapazität · lange Lebensdauer · schädlingsabweisend · bindet Schadstoffe · guter Schallschutz (besonders in Verbindung mit Stroh) · schwer entflammbar (Baustoffklasse A1) · lokale Lehmvorkommen in vielen Gegenden: keine Umweltbelastung durch weite Transportwege · lässt sich nach fachgerechtem Rückbau vollständig recyceln und als Baustoff wiederverwenden | · verformt sich, wenn Wasseranteil zu stark schwankt · sehr hohe Luftfeuchtigkeit führt auf Dauer zu Verwitterungserscheinungen · frostanfällig aufgrund der gebundenen Feuchtigkeit |
Kein Lehm ist wie der andere. Der Anteil der einzelnen Bestandteile kann innerhalb recht großzügig definierter Grenzen stark schwanken. Die exakte Zusammensetzung beeinflusst die Eigenschaften, die der jeweilige Lehm als Baustoff hat.
- Lehm mit einem hohen Tonanteil („fetter Lehm“) ist schwer zu verarbeiten und muss gegebenenfalls erst mit Sand angereichert werden.
- Ist der Tonanteil zu niedrig („magerer Lehm“), ist der Lehm nicht für den Bau geeignet, weil er nach dem Austrocknen zerfallen würde.
- Aus Lehm mit einem hohen Sand- und einem sehr hohen Tonanteil können Lehmsteine und Lehmziegel gebrannt werden.
Bauen mit Lehm: Welche Baustoffe gibt es?
Ein wichtiger Teil der Planung eines Bauvorhabens umfasst die Entscheidung, welche Lehmbaustoffe für welche Teile des Bauprojekts verwendet werden sollen. Lehm kommt als Baustoff in unterschiedlichsten Formen und Varianten zum Einsatz. Welche davon am besten geeignet ist, hängt von funktionalen und ästhetischen Kriterien ab.
- Stampflehm: Bei dieser traditionellen Art und Weise des Lehmbaus wird der feuchte Lehm in speziell angefertigte Formen oder Schalungen gegossen und anschließend durch Stampfen verdichtet. Nach einer Trockenzeit wird die Verkleidung entfernt und die entstandene Mauer oder Wand freigelegt.
- Lehmdämmung: Zur ökologischen Dämmung von Wänden und Böden wird Lehm häufig mit anderen ökologischen Dämmstoffen wie Stroh oder Hanf vermengt und als Hohlraumdämmung in einen Zwischenraum zwischen Dämmplatte und Wand geschüttet. Eine andere Variante ist das Verputzen von Holzdämmplatten.
- Lehmbausteine: Lehmsteine werden aus einer Rohmasse geformt und an der Luft getrocknet. Sie werden für den Trockenbau von Innen- und Außenwänden verwendet und verbessern gleichzeitig Dämmung und Schallschutz.
- Lehmziegel: Die bei etwa 900 bis 1000° C gebrannten Ziegel (Backsteine) sind robuster als die luftgetrockneten Lehmsteine. Sie eigenen sich zum Errichten tragfähiger Mauern und können durch Verputzen noch widerstandsfähiger und unempfindlicher gemacht werden.
- Lehmbauplatten: Für die Herstellung stabiler Platten wird Lehm mit Stroh, Hanf oder Holzwolle vermischt und in die gewünschte Form gepresst. Ein innenliegendes Gittergewebe erhöht die Stabilität. Die Platten kommen im Trockenbau und Innenausbau zum Einsatz, beispielsweise als Trennwände, Putzträgerplatten oder Dämmung.
- Lehmputz: Abhängig von der genauen Zusammensetzung kann Lehm als Mörtel, Oberputz, Unterputz oder Feinputz verwendet werden. Neben den positiven Eigenschaften, die Lehm als Baustoff auszeichnen, kann er durch den Zusatz von Farbpigmenten und strukturgebenden Materialien zu Dekorationszwecken verwendet werden.
- Lehmfarbe: Streng genommen handelt es sich bei Lehmfarbe ebenfalls um Putz; allerdings um einen besonders feinkörnigen, streichfähigen Putz, der in verschiedenen Farbtönen erhältlich ist.
Vergleich: Lehmbauplatten oder Gipskartonplatten verwenden?
Lehmbauplatten sind als ökologische Alternative zu Gipskartonplatten bekannt. Sie weisen nicht nur eine bessere Umweltbilanz auf, auch ihre Eigenschaften sind mit denen von Gipskarton vergleichbar. Die Tabelle zeigt die wichtigsten Parameter im Vergleich:
Lehmbauplatten | Gipskartonplatten | |
---|---|---|
Ökobilanz | · lokal vorhanden · wenig Energie für Verarbeitung nötig · wiederverwendbar kompostierbar | · lokal vorhanden · begrenzte Vorkommen von Naturgips · Produktion von REA-Gips schlecht für die Umwelt (C02-Emissionen, fossile Energieträger) · nur begrenzt wiederverwendbar als Sondermüll zu entsorgen |
Raumklima | · reguliert Luftfeuchtigkeit · hohe Wärmespeicherkapazität · schnelltrocknend · filtert Schadstoffe aus der Luft | · kann Feuchtigkeit aufnehmen, wenn kein Anstrich vorgenommen wird · geringere Wärmespeicherkapazität · trocknet langsam |
Einbau | · einfach | · einfach (allerdings kann Gipsstaub beim Zurechtschneiden Haut und Atemwege reizen) |
Dauer | · sehr lange haltbar (bei fachgerechtem Einbau bis zu 200 Jahre) | · mittlere Haltbarkeit (etwa 60 Jahre) |
Kosten | · hoch | · niedrig |
Wie viel kostet das Bauen mit Lehm?
Die Kosten, die Lehm als Baustoff verursacht, sind vergleichsweise hoch. Das liegt weniger an den Beschaffungskosten als vielmehr an den Preisen, die beim Einbau entstehen, denn hierfür müssen häufig spezialisierte Handwerksbetriebe beauftragt werden.
Der Betrag hängt vom geplanten Bauprojekt und den verwendeten Baustoffen ab, eine pauschale Aussage hierzu ist nicht möglich. Verschiedene Anbieter geben für ein durchschnittliches Einfamilienhaus ungefähr 15 bis 20 Prozent Mehrkosten im Vergleich zu herkömmlichen Baumaterialien an. Damit würden die reinen Baukosten in etwa zwischen 1700 und 1800 Euro pro Quadratmeter liegen.
Kombination von Lehm mit anderen Baustoffen
Ein großer Vorteil von ökologischen Baustoffen ist, dass Sie sehr gut miteinander kombiniert werden können und sich ihre Eigenschaften in einigen Fällen sogar ergänzen. Ein Beispiel dafür ist das Bauen mit Lehm und Holz: Lehm schützt das Holz vor Feuchtigkeit und verhindert dadurch Verrottung und die Entstehung von Schimmelpilzen. In einem Haus in Holz-Lehm-Bauweise profitieren Sie von einem stabilen, sehr gesunden Raumklima und angenehmer Wärmespeicherung.
Eine weitere verbreitete Kombination ist Lehm und Stroh als Dämmstoff. Besonders bei denkmalgeschützten Fachwerkhäusern und Altbauten wird diese Verbindung für Sanierungsarbeiten eingesetzt. Auch Neubauprojekte können damit realisiert werden: Ganze Häuser werden aus Strohballen errichtet und mit Lehmputz für eine wirksame und feuerbeständige Dämmung versiegelt.
Auch die Verbindung von Kork und Lehm ergibt einen erstklassigen Dämmstoff. Der diffusionsoffene Verbundstoff erfüllt ebenfalls die Anforderungen zur Dämmung denkmalgeschützter Gebäude, weil er gute Luftzirkulation und optimalen Feuchtigkeitsausgleich ermöglicht.
FAQ über Lehm als Baustoff
Lehm gehört gemeinsam mit Holz zu den ältesten Baumaterialien der Menschheit. Im 19. Jahrhundert kam beim Hausbau vermehrt Zement zum Einsatz, doch Lehm wurde weiter als Putz oder Estrich und zur Restaurierung denkmalgeschützter Gebäude verwendet. Seitdem das Interesse an nachhaltigen Baumaterialien zunimmt, erlebt Lehm als Baustoff einen neuen Aufschwung, weil er mit einer sehr guten Energie- und Umweltbilanz überzeugt.
· natürlicher mineralischer Baustoff
· besteht aus feinkörnigem Sand, Schluff und Ton
· kann Feuchtigkeit aus der Umgebungsluft aufnehmen, aber auch an sie abgeben
· unterstützt gesundes Raumklima
· kann Wärme gut speichern; Innenräume bleiben im Sommer angenehm kühl und im Winter lange warm
· hilft Energie zu sparen
· eignet sich für Gebäude, in denen eine möglichst konstante Luftfeuchtigkeit erforderlich ist
· kann bei starken Schwankungen der Umgebungsfeuchte sein Volumen verändern
· ist in Außenbereichen frostempfindlich
Vorteile
· diffusionsoffen
· hohe Wärmespeicherkapazität
· schwer entflammbar
· lange Lebensdauer
· guter Schallschutz
· schädlingsabweisend
· lokal verfügbar
· kurze Transportwege
· recycelbar
Nachteile
· kann aufquellen oder schwinden
· verwitterungsfähig
· frostanfällig
Bildquellen:
© gettyimages.de – Miljan Živković